Jazz – zur Sozialgeschichte einer amerikanischen Kunstform

Vortrag von Dr. Klaus-Gotthard Fischer am 6. Mai 2015

Voller Spannung hat die Gruppe Moers den Vortrag „Jazz“ von Dr. Klaus-G. Fischer erwartet, haben doch einige Damen eine „jazzige“ Vergangenheit. Seit 1972 gibt es das „New Jazz Festival Moers“. Ein jährliches Ereignis, das die Moerser Bürgerinnen und Bürger in begeisterte Anhänger und leidenschaftliche Gegner spaltet.

Was ist das Besondere an dieser Musik? „Jazz ist die einzige originäre Kunstform, die aus Amerika stammt“, stellte der amerikanische Fotograf William Claxton fest, der mit Joachim Ernst Berendt, dem deutschen Jazzpapst, ein berühmtes Jazzbuch in den 1960er Jahren veröffentlichte. „Ein Wort des weißen Mannes“, konterte der schwarze Trompeter Miles Davis. Er sprach lieber von afroamerikanischer Musik. Und der afroamerikanische Bandleader und Komponist Duke Ellington ergänzte: „It Don‘t Mean A Thing If It Ain‘t Got That Swing.“

Mit Musikbeispielen stilprägender Musiker wie Louis Armstrong, Bessie Smith, Bennie Goodman, Ella Fitzgerald und Billie Holiday, Charlie Parker und Art Blakey brachte Dr. Fischer den Saal zum swingen. Natürlich durfte Dave Brubeck nicht fehlen, der mit seinem „Take Five“ einen Welthit im ungewöhnlichen 5/4 Takt schuf.

Die Elemente des Jazz wie Rhythmus, Tonbildung und Improvisation wurden mit entsprechenden Musikstücken allgemein verständlich erläutert. Verdeutlicht wurde auch das Streben der Jazzmusiker nach einer eigenständigen Interpretation und Artikulation: Die Trompete von Miles Davis klingt nun einmal ganz anders als die Trompete von Dizzy Gillespie. Besonders beeindruckend war die Erklärung der „blue notes“, die den afroamerikanischen Sound ausmachen.

An Hand von Schautafeln und Grafiken wurde die zeitliche und regionale Entwicklung der Jazz-Stile aufgezeigt. In seinem Vortrag ging Dr. Fischer auch anschaulich auf die soziale und kommerzielle Situation der Jazzmusiker ein. Jazz hat seine Wurzeln in den Vergnügungsvierteln von New Orleans, Chicago und New York und diente als Begleitmusik dem Amüsement in allen Schattierungen, in Bordellen, Tanzsälen und Shows aller Art.

Erst Ende der 1930er Jahre begann der Jazz mit Benny Goodman und Norman Granz die Konzertsäle zu erobern. Im Medienbusiness produzierte er bescheidene Umsätze im Vergleich zur Popmusik. Nur wenige Weltstars wie Miles Davis, Louis Armstrong und Dave Brubeck hatten lukrative Plattenverträge und Engagements. Dazu kam die Rassendiskriminierung mit vielen traurigen Vorfällen, wie beispielsweise der Tod von Bessie Smith. Nach einem Autounfall wollte kein Krankenhaus die schwer verletzte Farbige zur Behandlung aufnehmen.

Die afroamerikanischen Musiker unterstellten den Weißen, dass sie die Musik der Schwarzen stahlen. Nach dem New Orleans Jazz kam der weiße Dixieland Jazz, der weiß orientierte Swing Jazz brachte den weißen Big Bands von Paul Whiteman, Benny Goodman und Artie Shaw riesigen kommerziellen Erfolg. Der Be Bop war dann die Reaktion der afroamerikanischen Musiker. Er war so kompliziert, dass die Weißen ihn nicht spielen konnten, auch nicht fühlten. Als das dann nicht mehr funktionierte, kam als Reaktion auf den Cool Jazz und den West Coast Jazz der Funk und Soul Jazz und unter Aufgabe fast aller musikalischen Bindungen der Free Jazz.

Nicht fehlen durfte der Hinweis auf Europa und Deutschland, jeder kennt Play Bach von Jacques Loussier. Nach dem ersten Weltkrieg beendeten die Nazis das „Jazz Age“ der Goldenen Zwanziger Jahre mit einem Verbot. Nach dem zweiten Weltkrieg brachten die GIs den Jazz in das in Trümmer liegende Deutschland, wo alles Amerikanische willkommen war. Insbesondere die afroamerikanischen Jazzmusiker wurden begeistert gefeiert. Nicht wenige Stars blieben ganz in Europa oder kamen immer wieder. Wie heute, wo Jazz Festivals überall zu finden sind: Jazz Baltica Salzau, Berlin, Burghausen, Leverkusen, Frankfurt und nicht zuletzt seit 1972 Moers.
Trotz Rassenproblemen, Drogen, Sex hat der Jazz immer wieder künstlerische Spitzenleistungen hervorgebracht und viele Fans gewonnen. Total beschwingt mit wunderbaren Melodien im Kopf verabschiedete die Gruppe Moers den Referenten.

Iris Fischer, Gruppe Moers